Die Behandlung von bösartigen Erkrankungen mit aktivem Fieber
erschienen in natura-med Nr. 1-2, S. 8-17 (1988)
Das Prinzip der Immunstimulierung durch aktive Hyperthermie hat bereits vorüber 100 Jahren als Methode der Erfahrungsheilkunde in die Krebstherapie Eingang gefunden. Über die Physiologie des Fiebers und die dabei ablaufenden biochemischen humoralen und zellphysiologischen Reaktionen bestehen heute klare Vorstellungen. Sie werden von den klinischen Forschungsergebnissen des Autors voll bestätigt, die ihrerseits mit dazu beitragen, der aktiven Hyperthermie als tumorwirksame Therapie mehr Gehör zu verschaffen.
Abb. 1: Der Temperatureffekt auf die Vermehrung von T-Lymphozyten
Daß diese Schnellaktivierung des Immunsystems mit einigen Kompromissen - den üblichen Krankheitserscheinungen bei einer Infektion - erkauft werden muß, sollte uns nicht zur Annahme verleiten, Fieber als offensichtliches Krankheitszeichen im Keime ersticken zu müssen: Wir nehmen damit unserer Immunabwehr die Chance, uns optimal zu helfen so, als ob man einer Feuerwehr am Brandherd das Wasser abdreht.
Geschichte der Fiebertherapie
Wie kam man nun auf die Idee, Infektionen oder das Fieberprinzip in die Krebstherapie einzuführen, wo die Zusammenhänge zwischen Immunabwehr und Krebs doch erst seit wenigen Jahrzehnten näher bekannt sind?
Anlaß waren zum einen die Beobachtungen alter Ärzte, daß Malariapatienten seltener an Krebs erkrankten, oder daß Krebskranke, zusätzlich von Malaria befallen, oftmals auch von ihrem Krebsleiden geheilt wurden. Aber auch, daß nach dem Überwinden des leichter verlaufenden Erysipels, einer Streptokokkenerkrankung, nicht selten die Krebserkrankung mit ausheilte.
Zusätzlich legen statistische Beobachtungen den Schluß nahe, daß zwischen Infektionen und Krebserkrankungen eine negative Korrelation besteht.
In der Literatur finden sich für den gezielten Einsatz des Erysipelerregers bei Malignomen erstmals Angaben bei BUSCH, dem damit 1866 die Rückbildung eines inoperablen Sarkoms bei einer 19jährigen Patientin gelang.
Mit seinem Erfolg provozierte BUSCH eine Reihe ähnlicher Versuche, die zum Teil ebenso eindrucksvoll verliefen. So konnten FEHLEISEN (1881) und BRUNS (1887) ebenfalls Tumorremissionen mit dieser ersten Form der aktiven Fiebertherapie vorweisen.
Zwischen 1870 und 1900, also schon vor mehr als einhundert Jahren, wurde das Prinzip der Immunaktivierung als Methode der Erfahrungsheilkunde in die Krebstherapie zunehmend eingeführt.
Daß hiervon häufig Gebrauch gemacht wurde, darf aufgrund einiger Doktorarbeiten angenommen werden, die sich diesem Thema in jener Zeit widmeten (u.a. VOELKER 1867, HAHN 1870, MEICHEL 1889).
Vermutlich auf diesen Erfahrungen basierend, führte COLEY die Fiebertherapie mit inaktivierten Erregern durch. Als Vakzine mit den besten Effekten stellte sich eine Mischung aus Streptococcus pyogenes und Bacterium prodigiosum (Serratia marcescens) heraus.
COLEY erzielte damit ab 1893 zum Teil aufsehenerregende Erfolge, doch konnten seine Ergebnisse mangels Standardisierbarkeit der damaligen Bakterientoxine von anderen Ärzten nicht immer nachvollzogen werden.
Unter diesen letztlich technischen Problemen litt die weitere Entwicklung der Krebstherapie mit bakteriellen Pyrogenen.
Dennoch muß man feststellen, daß die sog. "COLEY'S toxins" die älteste Therapieform mit sog. BRM-Substanzen (biological response modifiers), also immunmodulierenden Stoffen, ist und damit zugleich die älteste systemische und Immuntherapie des Krebses darstellt!
Klinische Anwendung der aktiven Fiebertherapie
Die COLEYsche Vakzine bildet auch an der ÄSKULAP-Klinik in Bad Rappenau das Prinzip der aktiven Fiebertherapie. In der Regel beginnen wir mit einer Dosierung von 1/50 Amp. (von zwei Millionen Einheiten entspr. 40.000 Keime), was der Zahl lysierter Bakterien entspricht.
Die Substanz wird intravenös appliziert. Zur Kreislaufstabilisierung geben wir noch 1/4mg Strophanthin-k, das sich bestens bewährt hat. Angestrebt wird eine Mindesttemperatur von 39 Grad Celsius (s. Temperaturverläufe bei Krebspatienten,
Abb. 2: Temperaturverläufe bei vier Karzinompatienten mit aktiver Fiebertherapie
- Tagesprofil -
Abb. 3: Temperaturverläufe bei einem Karzinompatienten mit aktiver Fiebertherapie
- Langzeitprofil -
da die Therapieergebnisse (5-Jahres-Überlebensraten) von der erreichten Temperatur abhängig sind. Hierüber hat NAUTS (1975) berichtet.
Abb. 4: Beziehung zwischen Temperatur und Überlebensraten bei der aktiven Fiebertherapie
Auf verschiedene Tumorlokalisationen nimmt diese Autorin (1982) ebenfalls Bezug .
Abb. 5: Überlebensraten von inoperablen Krebspatienten durch die aktive Fiebertherapie
Ist diese Temperatur nach drei Stunden nicht erreicht, geben wir in der Regel die gleiche Dosis nochmals.
Nach Injektionen der Pyrogene muß der Patient Bettruhe einhalten. Die Temperatur wird halbstündlich rektal gemessen und erreicht nach ein bis vier Stunden ihr Maximum. Meist geht dem ein Schüttelfrost von etwa 20-40 Minuten Dauer voraus, dabei können Übelkeit, Erbrechen, Kopf- und Muskelschmerzen, insbesondere Rückenschmerzen, auftreten. Diese lassen sich durch 1A. Pentazocin i.m. gut kupieren.
Eine Nahrungsaufnahme während des Fieberstoßes ist nicht gestattet, auch nicht sinnvoll, dies wegen der Häufigkeit von Nausea und Vomitus.
Die Flüssigkeitsaufnahme wird erst nach Erreichen des Temperaturmaximums erlaubt, da es gilt, ein zu frühes Schwitzen zu vermeiden, was zu Temperaturabfall führt. Am Abend, wenn die Temperatur praktisch ihr Ausgangsniveau erreicht hat, kann der Patient eine leichte Mahlzeit zu sich nehmen.
Im Gegensatz zur passiven Hyperthermie ist der äußere Aufwand beim Fieberstoß gering: er kann einfach im Bett durchgeführt werden.
(Bei der passiven Hyperthermie stößt man leider in der Regel an die Grenzen der Zumutbarkeit für den Patienten. Erheblich humaner - da physiologisch - verläuft grundsätzlich die aktive Fiebertherapie.)
Die Fiebertherapie ist ohne weiteres ambulant durchführbar, wie schon viele unserer Patienten und deren Hausärzte bewiesen haben, die die Nachbetreuung unserer Patienten übernahmen.
Doch ist es empfehlenswert, die ersten Fieberstöße im klinischen Rahmen durchzuführen, dies wegen der Möglichkeit zur Beurteilung, inwieweit eine Fiebertherapie auch ambulant durchführbar ist - auch, um bei Patient und Hausarzt etwaige Hemmschwellen vor der Fiebertherapie abzubauen.
Es hat sich herausgestellt, daß die Fiebertherapie sinnvollerweise bei metastasierenden Karzinomen mindestens über ein halbes Jahr fortgeführt werden sollte: Damit wurden von NAUTS (1982) die besten Überlebensraten beschrieben .
Abb. 6: Abhängigkeit der Überlebensraten von der Anwendungsdauer der aktiven Fiebertherapie
(inoperable Krebspatienten)
Die aktive Fiebertherapie wenden wir gewöhnlich einmal pro Woche an, mitunter in größeren Abständen, wenn Untergewicht vorliegt.
Bei der ambulanten Fiebertherapie hat sich ein 14-tägiger Rhythmus als günstig herausgestellt, da so auch die weitere Compliance des Patienten aufrechterhalten werden kann.
Die Dosierung der Fiebervakzine muß in vielen Fällen von Mal zu Mal erhöht werden, um eine Mindesttemperaturvon 39 Grad Celsius zu erreichen, wahrscheinlich bedingt durch die Bildung von Antikörpern gegen das Endotoxin, vielleicht auch durch physiologische Adaptionsmechanismen.
Wir setzen die Fiebertherapie bei allen Krebspatienten, vor allem auch in der Nachbehandlung, ein, da deren Immunsystem meßbar geschwächt ist, aber auch bei anderen Indikationen, soweit dies Allgemeinzustand und Organfunktionen zulassen.
Als sehr vorteilhaft hat sich auch die Kombination mit Chemotherapie erwiesen, da dies zur Verstärkung des Therapieeffektes führen kann.
Die Erfahrung zeigte, daß offensichtlich eine Potenzierung der tumorschädlichen Effekte erreicht wird (neben den eigentlichen Immuneffekten darf auch ein Verstärkermechanismus der Temperatur auf die zytostatischen Wirkungen vermutet werden).
Somit können wir bei der kombinierten Fieber-Chemotherapie auch geringere Zytostatika-Dosen anwenden:
Die Nebenwirkungen sind zum einen infolge der schwächeren Chemotherapie geringer, zum anderen ist ein zusätzlicher protektiver Effekt des aktivierten Immunsystems auf gesunde Zellen wahrscheinlich.
Vor zehn Jahren kannte man noch nicht die Immunreaktionen der aktiven Fiebertherapie im einzelnen, selbst heute sind den Datenbanken der Medizin nur wenige Arbeiten zu entnehmen, die sich mit der aktiven Fiebertherapie beschäftigen.
Eine umfassende Literaturübersicht über dieses Thema veröffentlichte NAUTS 1982.
Die immunologischen Zusammenhänge sind meist im Tierversuch beschrieben; doch unterliegt die Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen hier nicht solchen Einschränkungen, da Immunreaktionen aufgrund der gemeinsam evolutionären Basis bei allen Warmblütern sehr ähnlich sind.
Klinische Forschungsergebnisse
Daß die seit über einhundert Jahren veröffentlichten Therapieerfolge der aktiven Fiebertherapie bei Krebs in erster Linie auf immunologischen Mechanismen basierten, war anzunehmen. Hierauf deuteten verschiedenste in-vivo- und in-vitro-Untersuchungen hin.
Auf die Identität von endogenem Pyrogen mit Interleukin-1 wies der Verfasser im letzten Jahr hin (GÖHRING 1986 siehe unten "Wie Fieber die Immunabwehr anregt"). Da Interleukin-1 an der Spitze der Immunkaskade steht, durfte angenommen werden, daß alle Folgereaktionen einer Immunaktivierung durch eine natürliche Infektion auch bei der aktiven Fiebertherapie ablaufen. Daß also der Aktivierung von Interleukin-1 eine Induktion der Vermehrung von immunwirksamen Zellen wie T4-Helferzellen oder NK-(natürlichen Killer-)Zellen ebenso nachgeschaltet ist wie die Produktion von Tumornekrosefaktor (TNF), Interleukin-2 (vormals TCGF - T-lymphocyte growth factor), Interferonen, colony stimulating factor (CSF) und anderen Immunhormonen.
Der Nachweis dieser ausgeprägten Immunstimulationen ist uns bis jetzt für alle untersuchten Immunparameter gelungen, sowohl für alle immunkompetenten Zellen
Abb. 7: Zelluläres Immunprofil bei einem Krebspatienten nach aktiver Fiebertherapie
Abb. 8: Interleukin-1-Aktivierung durch die aktive Fiebertherapie
und Interleukin-2;
Abb. 9: Interleukin-2-Induktion durch die aktive Fiebertherapie
die Überprüfung der Induktion von Tumornekrosefaktor und Interferonen ist für dieses Jahr noch vorgesehen.
Somit können wir schon jetzt die angenommenen tumorwirksamen Mechanismen der aktiven Fiebertherapie auf der Ebene der Immunaktivierung als gesichert ansehen. Hierzu sei auf die grundlegenden Mechanismen der Interleukin-1-
Abb. 10: Die Interleukin-1-Kaskade bei der aktiven Fiebertherapie
Abb. 11: Aktivierung der Immun-Kaskade durch die aktive Fiebertherapie
verwiesen. Diese Darstellungen erheben allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit; so wurden die Rückkoppelungsmechanismen der besseren Übersichtlichkeit halber nicht eingezeichnet, außerdem ist der Wissenszuwachs auf diesem Gebiet sehr dynamisch.
Klinische Erfahrungen
Die klinischen Ergebnisse der Fiebertherapie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Ansprechrate ist bei den einzelnen Tumorarten unterschiedlich gut.
Als Tumorform mit sehr guten Remissionseffekten hat sich das metastasierende Colon-Ca. herausgestellt, wobei sich insbesondere Lebermetastasen durch die kombinierte Fieber-Chemotherapie gut bis sehr gut beeinflussen lassen. Weiterhin sprechen das Harnblasen-, Mamma- und erstaunlicherweise das Pankreas-Ca. gut an.
Bei einigen Systemerkrankungen wie M. Hodgkin und chronisch-lymphatischer Leukämie sehen wir ebenfalls gute Remissionen. Exemplarisch ist das am Fall eines Patienten (Abb. 12) dargestellt.
Die immunologische Erklärung wurde inzwischen in der Entdeckung von Differenzierungsfaktoren wie z.B. des Granulozyten-Makrophagen-Differenzierungsfaktors (GMDF) gefunden, die die Ausreifung leukämischer Zellen bewirken. Von HUTH (1957) insbesondere wurden die günstigen Effekte bakterieller Infektionen auf Leukämien beschrieben.
Auf ganz anderen Mechanismen beruht hingegen die (unphysiologische) passive Hyperthermie. Sehr einprägsam hat dies HENSEL (1981) formuliert:
"Fieber ist ein aktiver, vom Organismus selbst hervorgebrachter Vorgang, Hyperthermie ein von außen aufgezwungener Zustand. Beide sind physiologisch und pathophysiologisch grundverschieden.
Die Fieberreaktion ist ein ganzheitlicher Prozeß . .."
Einen Gesichtspunkt der aktiven Fiebertherapie kann man gar nicht genug betonen: Sie hat eine extreme therapeutische Breite. Mir sind bei nunmehr etwa 13.0001) Fieberstößen, die ich überblicke, keine ernsthaften Komplikationen bekannt, dabei sind wir in der Indikationsstellung eher großzügig.
So war unser ältester Patient 80 Jahre; Patienten mit früherem Herzinfarkt überstanden die Fiebertherapie ebenfalls problemlos.
Ich kenne kein Verfahren in der heutigen onkologischen Therapie, das einen vergleichbaren therapeutischen Index besitzt.
Wie vielleicht aus diesen Ausführungen deutlich geworden ist, stellt die aktive Fiebertherapie mit das wirksamste Verfahren dar, stärkste physiologische Reaktionen auszulösen: Die immunologischen Aktivierungen sind unübersehbar, die positiven Effekte gegen maligne Erkrankungen offensichtlich.
Nach Ablehnung durch Institutionen, die vorgeben, der Förderung biologischer Methoden der Krebsbekämpfung aufgeschlossen gegenüberzustehen (Deutsche Krebshilfe, Ausschuß für Unkonventionelle Methoden der Krebsbekämpfung, Bonn), werden wir auch weiterhin aus eigener Kraft - wenn auch in bescheidenem Rahmen - forschen und damit der aktiven Fiebertherapie ein sog. "wissenschaftliches Fundament" geben.
Abschließend möchte ich eine nachdenklich stimmende Äußerung von NAUTS (1982) zitieren:
"The fact that thousands more cancer patients were not given the benefit of such therapy since it was first initiated by Coley 90 years ago, may be one of the greatest tragedies in medical history."
Wie Fieber die Immunabwehr anregt
von Dr. med. Einar Göhring
erschienen in ÄRZTLICHE PRAXIS Nr. 32 vom 22. April 1986, Seite 1089
Fieber ist ein phylogenetisch sehr alter Mechanismus. Die Natur hat dieses Prinzip nicht ohne Grund konserviert. Immer klarer treten die fundamentalen Effekte der Fiebertherapie zutage. Immer deutlicher zeigt sich, daß Fieber einen der potentesten Immunmechanismen darstellt, der sich auch therapeutisch bei den verschiedensten Krankheitsbildern einsetzen läßt, vor allem bei onkologischen Erkrankungen.
Die aktive Fiebertherapie (im Gegensatz zur passiven Überwärmung!) rückt in der modernen Immunologie als onkologische Maßnahme besonders deutlich in den Vordergrund, seitdem erkennbar wird, welche elementaren Prinzipien der Immunantwort das Fieber zu induzieren vermag.
Es lassen sich inzwischen folgende Zusammenhänge nachweisen:
Das lange Zeit als endogenes Pyrogen (EP) bezeichnete Hormon, das bei Infekten vom Wirtsorganismus erzeugt wird, stellte sich als identisch mit einem der Lymphokine (freigesetzte Immunmodulatoren) heraus, nämlich dem Interleukin-1 (IL-1).
Dieser Wirkstoff wird heute als eine der wesentlichsten, stärksten und vielseitigsten Triggersubstanzen bei der Immunaktivierung betrachtet. Es handelt sich bei dem (alpha-, beta-)IL-1 um ein von Makrophagen, Monozyten und Keratinozyten freigesetztes Peptidhormon mit einem Molekulargewicht von 15.000 Dalton.
IL-1 steht am Anfang der sog. Lymphokin-Kaskade und stimuliert die Produktion von Interleukin-2 (IL2, früher TCGF = T-cell-growth-factor). Das ist jener Immunmodulator, der wiederum an der Aktivierung von NK-Zellen (natural-killer-ceIls) und LAK-Zellen (lymphokine-activatedkiller-cells) beteiligt ist. Gerade in letzter Zeit steht er im Mittelpunkt erheblichen Interesses der Onkologen.
Die von Endotoxinen induzierte Immunkaskade umfaßt zusätzlich noch weitere immunaktive Substanzen wie Interferone und Tumor-Nekrose-Faktor (TNF, vormals Lymphotoxin) und andere bedeutende Wirkstoffe der unspezifischen Tumorabwehr, etwa Komplement- und Properdin-Faktoren.
Die Bedeutung des Fiebers als grundlegender Mechanismus des Immunapparates wird durch den Nachweis unterstrichen, daß Endotoxine - die bei Infekten aus Bakterien oder Viren freigesetzt werden - auch durch die Fiebertherapie zur entscheidenden Immunaktivierung eingesetzt werden können. Bei einem onkologischen Patienten ist diese schicksalbestimmende Immunkette unterbrochen bzw. die Immunkaskade abgeschwächt, sei es aus genetischen oder erworbenen Gründen. Auch immunsuppressive Tumorsubstanzen können mitwirken.
Der Nachweis, daß Fieber via Interleukin-1 (endogenes Pyrogen) sowohl Interleukin-2 als auch andere Immunbotenstoffe freisetzt, wurde mittlerweile wissenschaftlich geführt und kann als gesichert gelten.
Unsere Erfahrungen mit der Fiebertherapie an der Äskulap-Klinik belegen, daß mit dieser Maßnahme zahlreiche Immunparameter in die Richtung zur Norm verändert werden können. Dazu zählt die Aktivierung von T4-(Helfer-)Lymphozyten, Reduzierung von T8-(Suppressor-)Lymphozyten, Ausgleich des B-T-Lymphozytenstatus sowie Normalisierung von Hauttest-Reaktionen zur Objektivierung der zellulären Immunantwort.
Auch wenn die Fiebertherapie in ein komplexes Therapiekonzept eingebettet ist, demonstriert die daraufhin erfolgende sichtlich beschleunigte Immunrestauration, daß der Fiebereffekt eine zentrale Rolle in der Immunstimulation und -modulation spielt.
Die immunologische Basis der Fieberwirkung ist also belegbar. Die eindrucksvollen Resultate der aktiven Fiebertherapie im ersten Drittel unseres Jahrhunderts haben so ihre Erklärung erhalten. (Mit der von Coley eingeführten bakteriellen Fiebervakzine wurden seinerzeit durchschnittlich bis zu 50 Prozent Langzeitremissionen bei histologisch gesicherten Krebs- und Sarkompatienten erzielt.)
Damit bekommt die Immuntherapie als vierte Säule der Krebstherapie das notwendige Fundament. Zugleich eröffnet sich der aktiven Fiebertherapie als einer der natürlichsten Therapiemethoden ein wichtiges Feld in der Krebsbekämpfung. Sie findet Zugang in die allgemeine Onkologie.
Nach 7.500 Anwendungen1) von komplikationsarmen Fieberstößen, die der Verfasser bis jetzt überblicken kann, wird zudem die große therapeutische Breite dieses Verfahrens ersichtlich. Bei der Würdigung der Zusammenhänge zwischen Fieber und Immunsystem wird auch klar, daß jegliche Unterdrückung von Fieber die Aktivierung der Immunkaskade verhindert oder abschwächt und damit für den Krankheitsverlauf von Nachteil sein muß.
Bereits geringes Fieber führt dagegen zur Boosterung innerhalb der Immunverstärkerkette. Literaturhinweise und eigene Beobachtungen bestätigen die beim Krebspatienten gehäuft anzutreffende Tatsache, daß er selten Fieber hat.
Wird dem Organismus die Chance genommen, auf einen äußeren Reiz mit einer ausreichenden Immunantwort zu reagieren, so nimmt man dem Immunsystem die Möglichkeit, Immunmediatoren zu bilden. Ein solchermaßen ständig supprimierter Organismus ist sicherlich nicht in der Lage, adäquat auf den immunologischen Reiz "Malignom" zu antworten.
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